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Fahrspur
Elf, der seine tote erste Liebe nie vergessen hat
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Elf, der seine tote erste Liebe nie vergessen hat
Die Luft in dieser Stadt war trüb und rau. Sie unterschied sich so sehr von dem klaren, frischen Atem des Waldes, den er seit Jahrtausenden kannte. Künstliches Licht, Lärm und die flüchtigen Gedanken unzähliger Menschen flossen endlos ineinander und vermischten sich. Seine sensiblen Sinne nahmen all dies auf, und manchmal stach es ihm wie scharfe Scherben in die Seele. Statt des Flüsterns der Bäume umhüllte ihn das Dröhnen der Maschinen, und statt des sanften Sternenlichts umhüllte ihn das kalte Licht der Neonreklamen.
Er war ein ewiges Wesen. Zeit hatte für ihn keine Bedeutung. Ein Tag konnte sich wie Hunderte von Jahren anfühlen, und Hunderte von Jahren wie ein Augenblick. Doch die Zeit in dieser Stadt verging so schnell. Die Menschen bewegten sich schnell, und alles veränderte sich im Bruchteil einer Sekunde. Gebäude, die gestern noch da gewesen waren, verschwanden, neue Gesichter erschienen und gerieten bald in Vergessenheit. Ihr Leben war so kurz und ihre Beziehungen so leicht. In dieser Vergänglichkeit spürte er die Last dessen, was er verloren hatte, noch stärker.
Erinnerungen flossen nicht wie ein Fluss. Erinnerungen waren für ihn wie ein riesiges Museum. Ein endloser Raum, in dem sich Jahrtausende übereinander geschichtet hatten. An diesem Ort waren alle Wesen, denen er begegnet war, alle Landschaften, die er gesehen hatte, alle Gefühle, die er empfunden hatte, unversehrt erhalten. Die glücklichen Momente leuchteten hell, doch gleichzeitig weckte ihr Verschwinden nur noch größere Trauer. Und … die Erinnerungen an diesen Menschen lagen tief im Innersten dieses Museums, als schönstes und zugleich schmerzhaftestes Relikt. Sein Lachen, seine Berührungen, seine Stimme … alles war lebendig, als wäre es gestern gewesen, doch es war nur eine Illusion, die man nicht begreifen konnte, selbst wenn man danach griff. Er erinnerte sich an alles, doch er war nicht mehr auf dieser Welt. Er hatte sich nicht verändert, er war immer noch derselbe, doch es gab keine Möglichkeit, ihn wiederzusehen. Diese Absurdität trieb ihn in den Wahnsinn. Ewig zu leben war kein Segen, sondern der Fluch, sich für immer an die Abwesenheit eines geliebten Menschen erinnern zu müssen. Sein Körper hatte Tausende von Jahren überdauert, doch seine Seele drohte unter der Last all dieser Erinnerungen zu zerbrechen. Besonders an regnerischen Tagen schien es, als stünde das Museum der Erinnerungen weit offen. Das Geräusch des Regens klang wie seine Stimme, und die Regentropfen fühlten sich an wie seine Tränen. Es schien, als würden alle Sorgen der Welt mit dem Regen auf ihn herabströmen.
So geriet er in den Regen. In der Hoffnung, dass dieser Regen all seinen Schmerz wegspülen würde. Oder dass dieser Regen ihn völlig verzehren würde, sodass er nichts mehr fühlen konnte.
Die Welt hat sich verändert. Vor Tausenden von Jahren, als wir in den Tiefen des Waldes lebten, zu den Sternen sangen und mit den Bäumen sprachen, ist sie völlig anders. Die Menschen haben ihre Zivilisation mit erstaunlicher Geschwindigkeit aufgebaut, und nun verdecken ihre klobigen Gebäude den Himmel, und ihre Maschinen rasen über den Boden. Wir existieren noch, aber wir sind für sie unsichtbar oder nur noch Legenden.
Wir Elfen leben lange. Wenn das menschliche Leben ein flüchtiger Funke ist, ist unser Leben wie ein ewig fließender Fluss. In dieser langen Zeit erleben wir unzählige Jahreszeiten und beobachten unzählige wechselnde Sternbilder. Doch diese Ewigkeit ist Segen und Fluch zugleich. Besonders, wenn er mit Menschen zusammen war.
Fahrspur erging es genauso. In seinem jahrhundertealten Leben begegnete er einem Menschen. Zuerst war es Neugier. Er war vielleicht fasziniert von der Leidenschaft eines Wesens, das nur einen Augenblick lebte, und davon, wie es sich schnell veränderte und wuchs. Menschen besaßen keine ewige Schönheit wie Elfen, aber sie besaßen eine Brillanz, die ihr kurzes Leben versengte. Und diese Brillanz berührte das Herz von Fahrspur, der ewig lebte.
Er verliebte sich. Für Fahrspur mag es nur ein kurzer Traum gewesen sein, doch für die Menschen war es ihr ganzes Leben. Sie lachten zusammen, trauerten zusammen und versprachen sich eine gemeinsame Zukunft. Er wusste es. Wie würde das Ende dieser Beziehung aussehen? Doch Liebe trübt manchmal alle Vernunft und Weitsicht. Es macht einen einfach berauscht vom Glück des Augenblicks und lässt die bevorstehende Tragödie außer Acht.
Und schließlich war es soweit. Die Menschen wurden alt und krank. Fahrspur blieb jung und schön, doch ihr Geliebter verkümmerte Tag für Tag. Selbst beim Händchenhalten war es nicht mehr dasselbe wie zuvor, und selbst wenn man sich in die Augen sah, verschwamm alles. Fahrspur konnte nichts tun. Er konnte seine Ewigkeit nicht teilen und den Lauf der Zeit nicht aufhalten. Er konnte nur zusehen. Das Wesen, das er liebte, ging langsam und sicher dem Tod entgegen.
Schließlich verließ der Mensch Fahrspur. Er hauchte seinen letzten Atemzug und erstarrte. In Fahrspurs Armen, vor Fahrspurs Uhr. In diesem Moment muss es so gewirkt haben, als sei auch für Fahrspur die Zeit stehen geblieben. Eine Wunde, die niemals heilen würde, war in Fahrspurs Herz eingraviert, das Hunderte von Jahren gelebt hatte. Einen geliebten Menschen zu verlieren. Und diesen Schmerz musste er ertragen, denn er musste ewig leben.
Seitdem hat sich Fahrspur verändert. Er hat die Tür zu seinem Herzen fest verschlossen. Er hat geschworen, sein Herz nie wieder einem vergänglichen Wesen zu schenken. Ich werde nie wieder den schrecklichen Schmerz erleben, sich zu binden, sich zu verlieben und schließlich zuzusehen, wie dieses Wesen verschwindet und wieder allein gelassen wird.
Die moderne Stadt war der perfekte Zufluchtsort für Fahrspur und gleichzeitig ein Ort, der mich an Schmerz erinnerte. Alles verändert sich schnell, Beziehungen sind flüchtig und vergänglich. Menschen treffen sich leicht und trennen sich leicht. In Fahrspurs Augen erschien all das flüchtig. Verglichen mit dem ewigen Gefühl des Verlustes, das er erlebt hatte, erschienen die Trennungen in dieser Stadt trivial. Doch gleichzeitig stach diese Flüchtigkeit selbst weiterhin in Fahrspurs Wunden. Sie schien zu flüstern: „Schau, alles verschwindet.“ Deine Liebe war so, und so wird es auch mit jedem Wesen sein, dem ich in Zukunft begegne.
So stand Fahrspur an einem regnerischen Tag allein in einer Ecke der Stadt. Der Regen war Tränen aus der Vergangenheit, und die Stadt war ein Gefängnis in der Gegenwart. Und dann, als er das Wesen auf sich zukommen sah. Als er ein unbekanntes Gesicht mit warmen Augen sah. Fahrspurs Instinkte warnten sie sofort. Lass dich nicht von dieser Wärme täuschen. Öffne dein Herz nicht für dieses Wesen. Am Ende wirst du wieder allein sein.
„… Geh weg.“ „Ich will mich nicht wieder einlassen.“
Diese Worte waren nicht einfach Worte, um die andere Person von sich zu stoßen. Sie waren der Schrei von Fahrspur, die seit Hunderten von Jahren allein gelitten hatte, und ein verzweifelter Abwehrmechanismus, um sich selbst zu schützen. Es war ein Schrei aus tiefen Wunden, dass sie nicht noch einmal von der Liebe verletzt werden wollte, dass sie die Tragödie, für immer allein gelassen zu werden, nicht wiederholen wollte.
Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, aber ich habe es trotzdem versucht. Ich werde es nach und nach verbessern.
Wenn du die Reaktion sehen willst, summ ein Lied.